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Retrofit: Maschinen verändern, die Sicherheit erhalten

(Fachartikel, vdi fachmedien, Technische Sicherheit Bd. 9 (2019) Nr. 07/08 - Juli/ August)

Modernisierungen machen einen Betrieb produktiver und wirtschaftlicher. Die Betriebs- und Prüfingenieure wie auch die Sicherheitsbeauftragten stehen dabei vor einer Herausforderung: Die Funktionale Sicherheit muss nach der Änderung einer Anlage wieder gewährleistet sein. TÜV SÜD und PSI Technics haben einen einsatzspezifischen Leitfaden entwickelt, um das zweifelsfrei zu beurteilen.

Die teils voll automatisierte Interaktion hochkomplexer Maschinen fordert die Funktionale Sicherheit heraus. Geschwindigkeit und Präzision eines einzelnen Geräts - bspw. innerhalb einer Förderkette - wirken sich auf die Effizienz des ganzen Systems aus. Alle Anlagenteile müssen deshalb regelmäßig gewartet und in einwandfreiem Zustand gehalten werden. Dazu lohnt es, die Geräte auf Optimierungspotenzial hin zu untersuchen. Modernisierungen sind häufig wirtschaftlicher als ganze Maschinentypen auszutauschen. Oft lassen sich spürbare Verbesserungen erzielen allein durch optimierte Steuerungen.

Einfluss der Steuerung nutzen

Leistungsstärkere Komponenten oder eine besser angepasste Software steigern die Produktivität von Maschinen und können den Materialverschleiß und Energieverbrauch senken. Das reduziert die Ausfallwahrscheinlichkeit einzelner Geräte und damit den Reparaturbedarf und die Stillstandszeiten ganzer Anlagen. Eine große Rolle spielen dabei die elektronischen und programmierbaren elektronischen Steuerungen. Ihre Leistungsfähigkeit entscheidet häufig über Geschwindigkeit und Präzision von Maschinen.

Wenn es um Änderungen an der Steuerung geht, sind viele Unternehmen jedoch zurückhaltend. Der Grund: Eine im Sinne der europäischen Maschinenrichtlinie (MRL) 2006/42/EG wesentliche Veränderung macht die Maschine rechtlich zum Neuprodukt. Wie ein Hersteller muss der Betreiber dann die Richtlinienkonformität samt zutreffender harmonisierter Normen neu bewerten, damit das CE-Kennzeichen gültig bleibt. Die Kosten des Verfahrens müssen mit etwaigen Einsparungen durch die Modernisierungen abgeglichen werden.

Anlagen gezielt nachrüsten

Unternehmen, die auf die Nachrüstung von Steuerungen spezialisiert sind, begegnen regelmäßig Zweifeln auf Betreiberseite. So wie bei PSI Technics: Das Unternehmen entwickelt Steuerungskomponenten für Positioniersysteme etwa für Brückenkräne oder Regalbediengeräte. Wenn die Mitarbeiter die Anlagen analysieren, stellen sie häufig fest, dass die Umrüstung der Steuerung die Leistung wesentlich verbessern kann. Dann gilt es zu klären, ob sich die technischen Lösungen problemlos in die bestehenden Systeme integrieren lassen, denn die Modifikation beeinflusst unter Umständen die sicherheitsgerichteten Funktionen.

Doch wann ist die Änderung einer Steuerung als "wesentliche Veränderung" anzusehen? Oder bedeutet der Einbau einer solchen Komponente sogar grundsätzlich eine wesentliche Veränderung? Gemeinsam mit Experten für Funktionale Sicherheit von TÜV SÜD Industrie Service wurden gängige Umbauvarianten untersucht. Ergebnis waren allgemeingültige Entscheidungshilfen.

Einfluss auf Sicherheitssignale entscheidet

Die Experten haben die verschiedenen Nachrüstoptionen untersucht nach den Kriterien der MRL und des Interpretationspapieres "Wesentliche Veränderung von Maschinen" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Bei der exemplarisch betrachteten Steuerung eines Regalbediengerätes (RBG) sendet die Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) Positions-, Geschwindigkeits- und Beschleunigungsbefehle an den Servopositionsregler, der im Frequenzumrichter integriert ist (siehe Abb. 1).


Abb. 1: Schema der zugrundeliegenden Steuerung
(Bild: TÜV SÜD Industrie Service GmbH)

Die in den Steuerungen verbauten Regler sind zwar auf den jeweiligen Anlagentyp angepasst, können sich mit ihren Standard-Parametersätzen jedoch nicht optimal auf das tatsächliche Anlagenverhalten einstellen. Die Steuerungskomponente ARATEC von PSI Technics setzt hier an. Mithilfe von Sensordaten erfasst und analysiert sie das Verhalten und kann die Positionsregelung danach optimieren. Für die Integration des Bauteils in eine Steuerung gibt es verschiedene Möglichkeiten (Abb. 2).

 


Abb. 2: Steuerungskomponente von ARATEC
(Bild: PSI Technics GmbH / ©Kai Myller)

Entweder wird die Komponente zwischen SPS und Frequenzumrichter geschaltet und fungiert als Positionsregler oder sie ersetzt einen, in die SPS integrierten Positionsregler. In beiden Fällen verarbeitet das System lediglich Positionsdaten. Sicherheitsrelevante Einstellungen beeinflusst es hingegen nicht.

Eine dritte Option ist jede Konstellation, bei der die Steuerung so verändert wird, dass die eingebaute Komponente neben den Positionsdaten auch sicherheitsgerichtete Signale beeinflusst. Das kann eine wesentliche Veränderung bedeuten. Die Konstellation muss dann daraufhin untersucht werden, ob eine neue Gefährdung entsteht oder ein vorhandenes Risiko zunimmt.

Meist bleibt die Sicherheit erhalten

Die Betrachtung zeigt: Bei zwei gängigen Umbaukonstellationen bleiben sicherheitsrelevante Steuersignale unberührt. Werden hingegen solche Signale aufgenommen, verarbeitet und weitergeleitet, kommt es darauf an, ob es sich bei der Erweiterung um ein zertifiziertes Sicherheitsbauteil handelt. Auch dann können neue Gefährdungen sicher beherrscht werden. Liegt kein entsprechendes Zertifikat vor, muss die Wirkung der vorhandenen Schutzeinrichtungen untersucht werden.

Eine gründliche Anlagendokumentation und die Gefährdungsbeurteilung helfen Ingenieuren und Prüfern, das Einbaukonzept danach zu bewerten, ob Änderungen an einer Steuerung die bestehende EG-Konformität beeinträchtigen. Beim Beispiel der Steuerungskomponente konnte das für die meisten Fälle ausgeschlossen werden. Ein Blick auf das Sicherheitskonzept der Steuerung lohnt generell. Manchmal lassen sich Geräte auch anders optimieren. Unter Umständen hat aber die Sicherheitstechnik selbst Optimierungspotenzial. Eine wesentliche Veränderung kann trotz des Bewertungsverfahrens langfristig wirtschaftlicher sein als eine Neuanschaffung.

Um die Sicherheit der Anlage zu gewährleisten und um eine eventuelle Konformitätsbewertung wirtschaftlich vorzunehmen, sollten sich Betreiber mit den Zulieferern abstimmen und Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klären. TÜV SÜD Industrie Service unterstützt dabei mit unabhängiger Expertise und behält den Fokus auf der Sicherheit der Anlage und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen.


Autoren:

Pascal Staub-Lang (M.Sc.)
Leiter des Kompetenzzentrums Maschinensicherheit
TÜV SÜD Industrie Service GmbH
Kontakt:
TÜV SÜD Industrie Service GmbH
Am Alten Forsthaus 1
66386 St. Ingbert
Telefon: 06894 9969813
E-Mail: pascal.staub-lang@tuev-sued.de
Internet: www.tuev-sued.de/is

Karl-Heinz Förderer
Geschäftsführung, PSI Technics GmbH
Kontakt:
PSI Technics GmbH
An der Steinkaul 6a
56333 Winningen
Telefon: 02630 91590-0
E-Mail: karl-heinz.foerderer@psi-technics.com
Internet: www.psi-technics.com

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